Jüngere Transplantationspatient*innen möchten sich nach überstandener Krankheit oftmals den Traum einer eigenen Familie erfüllen. Bei Frauen mit Organersatz sind Schwangerschaften möglich, aber mit zusätzlichen Risiken für Mutter und Kind verbunden. Daher ist es notwendig, sich im Vorhinein Gedanken über die Familienplanung und Schwangerschaft, einschließlich individueller mütterlicher und fetaler Risiken zu machen, und den möglichen Zeitpunkt der Schwangerschaft mit Patientinnen im gebärfähigen Alter, die eine Transplantation empfangen haben oder bekommen sollen, zu besprechen.
Unsere Erkenntnisse basieren auf langjährigen Erfahrungen mit Schwangerschaften nach Transplantation. Die ersten Daten zu Schwangerschaften nach Nierentransplantation wurden im Jahre 1963 veröffentlicht (Murray et al. 1963). Ein halbes Jahrhundert später ist der Wissensschatz gewachsen. Die Zahl transplantierter Frauen im gebärfähigen Alter ist aufgrund allgemeiner Zunahme der Transplantationsaktivität bei Erwachsenen und des Überlebens kindlicher Organempfänger bis ins Erwachsenenalter gestiegen.
Im Jahre 2017 wurden fast 1600 transplantierte Empfängerinnen im größten Transplant Pregnancy Registry mit nahezu 3000 Schwangerschaften erfasst (Moritz und Constantinescu 2017). Außerdem finden sich in diesem Register Daten über zirka 900 männliche Transplantationsempfänger, die als Erzeuger von 1396 Schwangerschaften registriert wurden. Etwa 70 % waren Empfänger einer Nierentransplantation gefolgt von 15 % Lebertransplantierten.
Wenn viele Patientinnen vor der Transplantation aufgrund der chronischen Erkrankung nur eingeschränkt fruchtbar waren, so ändert sich dies für die Mehrzahl der Empfänger nach Transplantation, insbesondere bei Nierentransplantation. Vor der Transplantation wird die Funktionseinbuße der eigenen Nieren mit künstlicher Blutwäsche überbrückt. Sie macht nicht nur energielos und müde, sondern auch vorübergehend unfruchtbar. Mit einem neuen Organ geht es vielen besser, und die Fruchtbarkeit mit normalem Eisprung kehrt meist innerhalb weniger Monate zurück.
Deshalb wird von der American Society of Transplantation (AST) empfohlen, schon vor der Aufnahme auf die Warteliste und auch kontinuierlich während der Nachsorge Risiken für die Patientin selbst und die potenziellen Kinder in der Sprechstunde zu besprechen (McKay et al. 2005).
Unsere Beratungen beziehen sich auch auf eventuell genetische Risiken, z. B. bei angeborenen Erkrankungen wie der zystischen Fibrose, Kardiomopathie oder α1-Antitrypsin-Defizienz.
Wir empfehlen, dass Empfängerinnen von Transplantaten eine Schwangerschaft während der ersten 2 Jahre nach der Transplantation vermeiden sollten. In dieser Phase ist das Risiko einer Transplantat-Abstoßung am höchsten und die immunsuppressive Therapie besonders intensiv, außerdem besteht in diesem Zeitraum ein erhöhtes Infektionsrisiko. Aber auch für den Nachwuchs männlicher Transplantatempfänger besteht ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko.
Relevante Risiken für die schwangere Transplantatempfängerin sind Abstoßung des Transplantats, Infekte, arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) sowie Präeklampsie, ebenfalls eine Bluthochdruckkrankheit Schwangerer (Ross 2006; Bry et al. 2019; Thakrar et al. 2014; Bramham et al. 2013; Mohamed-Ahmed et al. 2014; McKay et al. 2005) und Schwangerschafts-Erbrechen. Es liegen nur begrenzte Daten über die Häufigkeit jedes dieser Probleme vor, die wir im Folgenden genauer erläutern:
Die Behandlung der Hypertonie wird durch die Schwangerschaft nicht beeinflusst, mit Ausnahme von Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmern und Angiotensinrezeptorblockern (ARB), die wegen teratogener - also Fehlbildungen hervorrufender - Wirkungen vermieden werden sollten, und Aldosteronantagonisten, die ebenfalls während der Schwangerschaft vermieden werden.
Als Präeklampsie wird das erstmalige Auftreten oder eine Verschlimmerung von Bluthochdruck zusammen mit einer vermehrten Eiweißausscheidung im Urin nach der 20. Schwangerschaftswoche bezeichnet. Das Risiko einer Präeklampsie ist nach Transplantation mit 12–24 % erhöht und muss von daher durch frühzeitige Diagnostik begrenzt werden.
Gebärende Transplantatempfängerinnen müssen auch nach der Geburt ihres Kindes sorgfältig überwacht werden. Die Risiken einer mütterlichen Gefährdung steigen für Empfängerinnen einer Transplantation unmittelbar nach der Geburt erheblich an.
Nach der Geburt bestehen häufig erhebliche Schwankungen der Immunsuppression durch Änderung der Verteilungsvolumina der Arzneimittel vom Blut in andere Gewebe. Engmaschige Kontrollen zur Überwachung der Tal-Spiegel eingenommener Immunsuppresiva, insbesondere von Ciclosporin und Tacrolimus, sind angezeigt, da sich das mütterliche intravaskuläre Volumen und die glomeruläre Hyperfiltration wieder normalisieren.
Vom Stillen wird abgeraten, da das Immunsuppresivum Ciclosporin und der Immunmodulator Tacrolimus auf das Kind übergehen können (Boyle et al. 2021). Die Fortsetzung der immunsuppressiven Therapie ist jedoch für die Transplantatfunktion und -überleben von entscheidender Bedeutung, und sollte in angepasster Form aufrechterhalten werden. Es wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der Nutzen der immunsuppressiven Therapie bei Transplantatempfängerinnen das leicht erhöhte Risiko eines ungünstigen Schwangerschaftsausgangs überwiegt und die meisten Frauen, welche immunsuppressive Medikamente einnehmen, normale, gesunde Kinder zur Welt bringen (Thakrar et al. 2014). Transplantatempfängerinnen werden im Allgemeinen mit der niedrigsten wirksamen Dosis ihrer immunsuppressiven Erhaltungstherapie aus Glukokortikoiden, Azathioprin und Cyclosporin oder Tacrolimus behandelt.
Eine Diskussion über die Risiken und Vorteile des Stillens unter Berücksichtigung der individuellen Umstände ist dennoch sinnvoll. Psychologische Unterstützung ist ebenfalls wichtig, da etwa eine postpartale Depression durch chronische Steroideinnahme verstärkt werden kann. Am Transplantations-Zentrum des UKHD werden außer Ärzten und Psychologen auch Pflegekräfte, Genetiker, Neonatologen und Mitarbeiter*innen des Sozialdienstes für eine multidisziplinär geplante Schwangerschaft zu Rate gezogen.
Priv.-Doz. Dr. med. Peri Husen, FEBS (Transplantationschirurgie)
Oberärztin Fachärztin für Viszeralchirurgie